03.11.2020 Schulen und Corona – wie die Devise "Weiter so" polarisiert

Deutschland befindet sich ein zweites Mal im Shutdown, aber eins ist jetzt im Herbst grundsätzlich anders als im Frühjahr: Die meisten Kitas und Schulen sind offen, eine Schließung gilt als Ultima Ratio.

In der Frage der Schulschließungen hat die Politik in der Pandemie dazugelernt, darin sind sich sehr viele Menschen einig. Doch wie lassen sich Infektionsschutz und das Recht auf Bildung vereinbaren? In dieser Debatte wird der Ton schärfer, teils auch verzweifelter. Immerhin gibt es konstruktive Vorschläge ("Das ist los").

Für den Fall, dass Sie eine kurze Pause von Pandemie und anderen Problemen einlegen wollen, empfehlen wir Ihnen besonders den 20. November. Warum sich der Tag ideal eignet, um auf andere Gedanken zu kommen und wie dies der Bildung zugutekommt, verraten wir Ihnen am Ende dieses Newsletters ("Gut zu wissen").

Schicken Sie uns gern Kritik und Anregungen unter kleinepause@spiegel.de.

Herzliche Grüße
Ihr Team von der "Kleinen Pause"

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Das ist los

1. Offene Schulen – und offene Briefe

Wir dürfen in gewisser Weise gerade an der Post der Bundeskanzlerin teilhaben. Per E-Mail erhalten wir diverse offene Briefe an Angela Merkel. Sie enthalten eindringliche – allerdings auch gegensätzliche – Forderungen zum Thema Corona und Schule. Hintergrund sind der Beschluss der Kultusministerkonferenz am vergangenen Dienstag sowie die Entscheidung von Merkel und den Ministerpräsidenten tags darauf, einen weitreichenden Shutdown zu verhängen, Kitas und Schulen jedoch offen zu lassen.

Die eine Fraktion äußert "größte Bedenken", "weil dadurch unsere Kinder und damit auch die Gesamtbevölkerung unverantwortlich gefährdet werden", wie etwa der Bundeselternrat und andere Verbände schreiben. Kern ihrer Kritik: Die Kultusministerkonferenz setzt die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts nicht als bundesweit verbindliche Vorgaben um. Das Institut hatte empfohlen, dass Schulen ab einer bestimmten Corona-Fallzahl in der Region zum Unterricht in Kleingruppen und im Schichtsystem zurückkehren.

Die andere Fraktion zeigt "große Erleichterung" darüber, dass sowohl Kanzlerin als auch die Kultusministerkonferenz auf solche Vorgaben verzichtet haben. Initiativen wie "Kinder brauchen Kinder" weisen zudem warnend darauf hin, dass in einigen Corona-Hotspots die ersten Schulen bereits wieder geschlossen oder zum Wechselmodell zurückgekehrt seien. "Für Kinder sind Bildung und Betreuung in Kita und Schule mindestens genauso wichtig wie für Erwachsene ihre Arbeit", schreiben die Eltern.

Wie sehr das Thema Mütter, Väter, Lehrerinnen und Lehrer umtreibt, zeigen diverse Artikel der vergangenen Tage, die das Für und Wider beleuchten:

Wie sich die Gemüter in der hitzigen Debatte über Bildung und Betreuung, Infektionsschutz und richtiges Lüften vielleicht befrieden ließen, hat sich der Bildungsjournalist Jan-Martin Wiarda überlegt – und sechseinhalb Vorschläge gemacht. Zudem sammelten die "Zeit"-Autorinnen Jeannette Otto und Johanna Schoener unter dem Stichwort "Jenseits des Lüftens" sieben Ideen, wie sich erneute Schulschließungen vermeiden lassen und der Unterricht weitergehen kann.

2. Gedenkminute für Samuel Paty

Am Montag, dem 2. November, wurde es um 11.15 Uhr an vielen Schulen Europas still. Das französische Bildungsministerium hatte die Regierungen aller europäischen Länder aufgerufen, eine Gedenkminute für den ermordeten Geschichtslehrer Samuel Paty einzulegen. Der 47-Jährige wurde Opfer eines Attentats, das die französische Regierung als islamistischen Terrorakt wertet. Unsere Kollegin Tanja Kuchenbecker berichtet, dass Samuel Paty ein Lehrer war, der die Meinungsfreiheit verteidigte.

Viele Lehrerinnen und Lehrer in Frankreich würden die Tat "als Angriff auf die Freiheit zu lernen" sehen, schreibt die Kollegin. "Ihnen ist bewusst geworden, was sie jeden Tag riskieren: ihr Leben. Man kann sterben, weil man Lehrer ist."

In der "Süddeutschen Zeitung" berichtet eine deutsche Lehrerin, wie das Attentat auch ihren Unterricht beeinflusst, welche Widerstände sie in ihren Klassen erlebt und warum sie nur anonym darüber redet.

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Sehen Sie die Meinungsfreiheit im Unterricht gefährdet? Schreiben Sie gern an kleinepause@spiegel.de

3. Was sonst noch war

Es passierte übrigens auch noch etwas abseits der Corona-Debatten: Die OECD hat den Schülerinnen und Schülern in Deutschland ein gutes Zeugnis ausgestellt (zumindest teilweise) – und zwar nicht trotz, sondern wegen der Pisa-Ergebnisse. Doch, das stimmt tatsächlich. Denn in der letzten Pisa-Studie ging es nicht nur um Lesen, Mathe und Naturwissenschaften, sondern auch um "globale Kompetenz".

Und da schnitten die Jugendlichen in Deutschland in einigen Punkten ausgesprochen gut ab – in anderen allerdings nicht. Hier finden Sie die detaillierten Ergebnisse. Und hier ein Interview mit der deutschen Pisa-Koordinatorin Kristina Reiss, die diese erfreulichen Nachrichten einordnet und feststellt: "Jugendliche mit Zuwanderungshintergrund und jene, die kein Gymnasium besuchen, zeigen recht positive Haltungen, etwa im Umgang mit anderen Kulturen. Andere Schüler können von ihnen lernen." Stark.

Gut zu wissen

Rund ein Drittel der Eltern in Deutschland liest ihren Kindern nur selten oder gar nicht vor, zeigen immer wieder die Studien der Stiftung Lesen. Warum nicht? Das wollten die Stiftung Lesen sowie ihre Unterstützer von der "Zeit" und der "Deutschen Bahn-Stiftung" dieses Mal wissen. Das Ergebnis: Vielen Eltern fehlt es an der nötigen Zeit, aber manche trauen sich das Vorlesen auch schlicht nicht zu.

Es bleibe eine große Herausforderung, Hemmschwellen und Vorbehalte abzubauen, sagte uns Simone Ehmig, Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung bei der Stiftung Lesen. Der bundesweite Vorlesetag am 20. November soll dazu beitragen. Lehrerinnen und Lehrer dürfen den Unterricht an diesem Tag über den Haufen werfen und ihren Schülerinnen und Schülern aus Büchern vorlesen.

Mehr zum Thema

Bleibt nur noch die Frage, aus welchen Büchern Sie vorlesen wollen, um mit Kindern in literarische Welten abzutauchen und Corona mal hinter sich zu lassen. Unsere Kollegin Agnes Sonntag rezensiert regelmäßig Kinderbücher, vielleicht werden Sie da fündig.

Viel Spaß beim Lesen – und kommen Sie gut durch diese Zeit!

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