Wichtiger als für uns Berichterstatter wäre es natürlich für die Lehrerinnen und Lehrer selbst, dass sich die Personalsituation an Deutschland Schulen endlich entspannt. Denn für diejenigen, die die Lücken im Kollegium füllen müssen, kann der Mangel gravierende gesundheitliche Folgen nach sich ziehen, wie eine neue Umfrage des Stark-Verlages nahelegt ("Gut zu wissen").
Außerdem beschäftigen wir uns in dieser Ausgabe unseres Newsletters mit zwei wichtigen Gerichtsurteilen, die im Lehrerzimmer für Gesprächsstoff sorgen könnten: In Hamburg darf eine Berufsschülerin nun mit Gesichtsschleier zum Unterricht erscheinen, in Baden-Württemberg entschieden Richter, dass eine Lehrerin in Teilzeit Überstunden nicht extra vergütet bekommt, die im Rahmen einer Klassenfahrt entstehen. Bei Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf steht ein Ergebnis noch aus: Dort hatte sich ein Lehrer gegen Mobbing im Internet gewehrt und Anzeige gegen Unbekannt erstattet ("Das ist los").
Haben Sie Fragen, Kritik und Anregungen zu unserem Newsletter? Wir freuen uns über Post an kleinepause@newsletter.spiegel.de.
Das Team von "Kleine Pause"
Susmita Arp, Silke Fokken, Armin Himmelrath, Miriam Olbrisch
Das ist los
1. Vollverschleiert im Unterricht
Eine 16-jährige angehende Einzelhandelskauffrau im Hamburger Stadtteil Hammerbrook möchte im Unterricht an der Berufsschule einen Gesichtsschleier tragen. Der so genannte Nikab bedeckt das Gesicht fast vollständig, es bleibt nur ein kleiner Sehschlitz. Die Schulbehörde verhängte ein Bußgeld in Höhe von 500 Euro gegen die Mutter des Mädchens. Der Fall landete vor dem Oberverwaltungsgericht. Die Richter gaben der Familie Recht: Die Schülerin könne für sich die "vorbehaltslos geschützte Glaubensfreiheit in Anspruch nehmen", so die Begründung. Schulsenator Ties Rabe (SPD) möchte nun schnellstmöglich das Schulgesetz anpassen, wie er in einem Radio-Interview des NDR ankündigte. Das Mädchen darf nun offiziell mit Nikab am Unterricht teilnehmen.
2. Urteil: Klassenfahrten sind keine bezahlten Überstunden
Der Sinn einer Klassenfahrt besteht darin, dass Schülerinnen und Schüler für mehrere Tage ihr gewohntes Umfeld verlassen, um in anderer Umgebung zu lernen und als Gemeinschaft zusammenzuwachsen. Für die Lehrkräfte, die mitfahren, bedeutet das oft: Einsatz rund um die Uhr. Bezahlt wird diese Mehrarbeit allerdings nicht - so hat es der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschieden. Für Lehrkräfte sei es normal, "dass regelmäßig nur die Unterrichtsverpflichtungen konkret festgelegt würden, obwohl die Dienstpflichten einer Lehrkraft weit darüber hinausgingen", so die Begründung. Eine verbeamtete Gymnasiallehrerin, die in Teilzeit arbeitet, hatte an einer mehrtägigen Klassenfahrt nach Berlin teilgenommen und dafür eine entsprechende Vergütung gefordert – auf der Reise haben sie schließlich mindestens Vollzeit gearbeitet. Auf das Geld muss die Frau nun verzichten. De Schulleitung solle aber einen zeitlichen Ausgleich für die Mehrarbeit schaffen.
3. Kampf gegen Cybermobbing
Am Düsseldorfer Max-Planck-Gymnasium wird derzeit viel diskutiert – intern. Nach außen dürfen sich Kollegium und Schulleitung nicht mehr wenden, die Bezirksregierung hat das untersagt (siehe auch "Debatte der Woche"). Der Anlass: Nachdem Schülerinnen und Schüler im Netz verunstaltete Bilder von Lehrkräften veröffentlicht hatten, erstattete ein betroffener Pädagoge Strafanzeige – die Staatsanwaltschaft ermittelt. In der Folge strich die Schulleitung zwei geplante Klassenfahrten. Eine konsequente Haltung sei das, sagt die Kölner Psychologin und Mobbing-Expertin Catarina Katzer im SPIEGEL-Interview: "Wenn im Netz gefälschte Bilder in Umlauf gebracht werden, wenn Lügen, Beleidigungen oder Drohungen veröffentlicht werden, dann sind das keine Lappalien, sondern Straftaten."
Doch es gibt auch Kritik am Durchgreifen der Schulleitung: Mehrere Eltern beschwerten sich, teils anonym, in Briefen an die NRW-Schulministerin über die Absage der Klassenfahrten und forderten eine Ablösung der Schulleiterin. Eine Schulpsychologin soll jetzt die Wogen glätten.
Haben Sie Fälle von Cybermobbing gegen Lehrerinnen und Lehrer erlebt? Berichten Sie uns davon, gerne auch anonym: kleinepause@newsletter.spiegel.de.
Gut zu wissen
Lehrermangel - und kein Ende: In fast allen Bundesländern fehlen Pädagogen. Für die verbleibenden Fachkräfte, die die Lücken füllen müssen, hat das gravierende gesundheitlich Folgen. Das legt eine aktuelle Umfrage des Stark-Verlages unter mehr als 4000 Lehrkräften aus ganz Deutschland nahe. Knapp drei Viertel der Befragten, an deren Schule Lehrkräfte fehlten, spürten nach eigenen Angaben die Auswirkungen im Alltag: Die Stimmung im Kollegium habe sich zum Negativen verändert, die gegenseitige Unterstützung nehme ab. Etwa genauso viele berichteten in der Umfrage von Stundenausfällen und einem steigenden Krankenstand.
Der Stark-Verlag aus Hallbergmoos bei München, der seit Jahrzehnten Lernmittel herstellt, verschickte die Online-Umfrage an Lehrkräfte der eigenen Kundenkartei, weshalb die Erhebung trotz der hohen Zahl von Antworten nicht repräsentativ ist. Weitere Informationen zur Umfrage gibt es hier.
Debatte der Woche
Lasst sie doch reden!
Lehrkräfte dürfen häufig nicht öffentlich über die Missstände an ihren Schulen sprechen - weil Vorgesetzte ihnen einen Maulkorb verpassen. So verhindern der Verantwortlichen, dass sich die Situation verbessern kann. Ein Kommentar von Miriam Olbrisch
Vor einigen Wochen habe ich mit meinem Kollegen Jan Friedmann einen Text für den SPIEGEL geschrieben. Es ging, mal wieder, um Lehrermangel und die Frage, wie die Länder damit umgehen. Für den Einstieg hatte ich den Leiter einer Brennpunkt-Grundschule besucht, der nüchtern und sachlich schilderte, wie sich der Mangel an Fachkräften im Schulalltag bemerkbar machte. Das zuständige Schulamt war im Vorfeld über den Termin informiert. Vor der Veröffentlichung sollte der Schulleiter seine Zitate, die im Text auftauchten, gegenlesen dürfen. So ist es seit Jahren gängige Praxis, Probleme damit gibt es äußerst selten. Kurz vor Druck dann die Notbremse aus dem Schulamt: Es stimme zwar alles, was dort beschrieben sei. Aber man wollte trotzdem nicht, dass dieser Text oder überhaupt irgendein Text über Lehrermangel im betreffenden Regierungsbezirk erscheine. Der Schulleiter bat uns daraufhin eindringlich, dass seine Schule nicht im Text auftauche, wir wollten ihm nicht schaden und entsprachen seiner Bitte.
Der beschriebene Vorfall ist extrem – doch leider kein Einzelfall. Immer häufiger stoßen meine Kollegen und ich bei unseren Recherchen auf Lehrkräfte, die unglücklich sind über die Missstände, die an ihren Schulen herrschen. Darüber sprechen wollen sie allerdings nur im Hintergrund oder anonym. Sie haben Angst, als Nestbeschmutzer zu gelten. Sie fürchten Konsequenzen durch ihre Vorgesetzten.
Die Angst der Lehrerinnen und Lehrer ist durchaus verständlich. Weniger verständlich ist das Verhalten der vorgesetzten Institutionen. Ich halte es sogar für gefährlich. Denn wer offene Worte verbietet, riskiert, dass es unter der Oberfläche weiterbrodelt. Wer Kritik verhindert, verhindert auch, dass die Situation sich zum Besseren wandeln kann. Denn um Probleme zu lösen, müssen sie vorher als Problem erkannt und benannt worden sein.
Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht? Schreiben Sie uns, gern auch anonym, an bildung@spiegel.de.
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