Sie sehen schon: Es gibt viel Neues in Sachen Pandemie, aber es ist vor allem Kleinteiliges - auf die große Linie, den gemeinsamen Wurf, gar einen einheitlichen Krisenreaktionsmechanismus der Kultusministerien in den Bundesländern zum Umgang mit Corona warten wir, trotz aller Appelle der Kanzlerin, weiterhin ("Das ist los").
In den vergangenen Wochen waren die Verwaltungsgerichte in Sachen Schulen besonders aktiv. Nicht nur, weil sie einige juristische Corona-Fragen entscheiden mussten, sondern auch, weil es etwa um Überstunden von Lehrerinnen und Lehrern ging - und die Frage, ob die dauerhaft und regelmäßig anfallen und ob es dafür Freizeitausgleich geben muss. Wir haben die wichtigsten Urteile der vergangenen 14 Tage für Sie zusammengestellt ("Gut zu wissen").
Ansonsten hoffen wir, dass Sie ihre Herbstferien genießen konnten, noch genießen oder sich darauf freuen, sie demnächst genießen zu können. Das Team von "Kleine Pause" wünscht Ihnen jedenfalls, dass Sie sich nicht unterkriegen lassen. Und wenn Sie uns auf etwas aufmerksam machen möchten, das wir uns mal genauer anschauen sollten, erreichen Sie uns unter kleinepause@newsletter.spiegel.de.
Susmita Arp, Silke Fokken, Armin Himmelrath
Das ist los
1. Ein historischer Tag
Mehr Gemeinsamkeiten bei Schulabschlüssen und Prüfungen: Die Schulministerinnen und -minister haben sich auf eine neue Ländervereinbarung verständigt und sich dafür gegenseitig auf die Schultern geklopft. Das neue Regelwerk löst das bisher geltende "Hamburger Abkommen" ab - und das stammt immerhin aus dem 1964. So gesehen ist eine neue Vereinbarung nach über einem halben Jahrhundert tatsächlich historisch.
Und was steht drin? Zum Beispiel das hier:
Mehr Vergleichbarkeit in der Grundschule: In Zukunft sollen alle Kinder eine einheitliche Schrift lernen (die verbundene Handschrift), und zwar nach den gleichen Rechtschreibregeln.
Einheitliche Stundenzahl in den Grundschulen: Bis 2022 soll eine Mindeststundenzahl für Deutsch, Mathe und Sachkunde festgelegt werden.
Abschlüsse, die für alle verständlich sind: Das Wirrwarr der unterschiedlichen Schulbezeichnungen in den Ländern soll durch einheitlich benannte Abschlüsse entschärft werden - oder wissen Sie, wie sich ein Oberschulabschluss von einem Stadtteilschulabschluss unterscheidet?
Mehr zentrale Abituraufgaben: Ab 2023 sollen in Deutsch, Mathe, Französisch und Englisch die Hälfte der Abi-Aufgaben aus einem zentralen Pool kommen, ab 2025 auch in den Naturwissenschaften.
Jetzt kann man (wie die Ministerinnen und Minister) sagen: Toll! Oder man schaut sich die obige Liste an und wundert sich: Was, das alles gab es bisher nicht? Lehrerverbände und Gewerkschaften jedenfalls haben die Ideen der KMK ziemlich rüde kritisiert, als "Rolle rückwärts" und "verspielte Chance". Und Heike Schmoll kam in der "FAZ" zu dem Schluss, die Pläne seien nicht mehr als "eine Ansammlung unverbindlicher Vorhaben". Ohnehin müssen auch noch die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten zustimmen, um der neuen Einigkeit zum Durchbruch zu verhelfen.
2. Ein ganz normaler Tag
Es war ein Donnerstag, als die KMK die verbesserte Zusammenarbeit beschloss. Und es dauerte nur bis zum Freitag und noch nicht einmal 24 Stunden, bis wieder die Kleinstaaterei losging. Auslöser war, klar, der Umgang mit der Corona-Pandemie. Dazu gab es nämlich keine neuen Beschlüsse - beziehungsweise doch: Man will sich Ende dieser Woche wieder zusammenschalten, um weiterzureden. Man will die Entscheidungshoheit bei den Ländern belassen. Und außerdem will man die Klassenzimmer verstärkt lüften (dazu kommen wir gleich noch).
Auf jeden Fall beeilten sich am Freitag erst einmal eine ganze Menge Länder zu beweisen, dass sie eigene Entscheidungen treffen - die dann in der Gesamtschau irgendwie doch wieder ziemlich gleich aussehen. So wird es eine Maskenpflicht im Unterricht unter anderem in Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Hamburg geben, mit regionalen Abwandlungen. Und ein Lehrkräfteverband in NRW fordert sie auch für die Schulen an Rhein und Ruhr. Sieht so Einigkeit aus?
Doch, es gebe eine einheitliche Linie, schreibt Andrej Priboschek, Herausgeber des Portals News4Teachers: Er habe den Eindruck, die Kultusminister wollten die Rolle der Schulen im Pandemiegeschehen kleinreden. Und er teilt heftig gegen die Ministerinnen und Minister aus: "Dass sie nun sogar die aktuellen Empfehlungen des Robert Koch-Instituts missachten, hat allerdings eine neue Qualität." Seine provokante Analyse finden Sie hier. Priboschek spricht sogar von einem "Aufstand der Kultusminister gegen Merkel". Starker Tobak.
3. Lüften! Lüften! Lüften!
Jetzt also das Lüften. Wir wissen nicht, ob in Ihrem Klassenzimmer die Fenster überhaupt geöffnet werden können - und wenn ja, wie weit. Aber möglicherweise können Sie sich ohnehin alle Bemühungen um neue Scharniere oder Fenstergriffe sparen. Wenn nämlich stimmt, was Christian J. Kähler sagt, Professor für Strömungsmechanik an der Universität der Bundeswehr in München: "Wer ausschließlich aufs Lüften setzt, wird keinen Erfolg haben, das funktioniert schon rein physikalisch nicht." Hier können Sie seine Argumente nachlesen - und natürlich auch die Reaktionen derjenigen, die trotzdem am Lüftungsdogma zur Pandemiebekämpfung festhalten.
Jetzt, in der Rückschau auf die vergangenen zwei Wochen, fällt uns selbst erstmal so richtig auf, wie sehr uns diese Debatte ums Lüften beschäftigt hat. Mehr Texte dazu finden Sie hier:
Wie viel bringt das Lüften im Klassenzimmer? Ein Überblick über die wichtigsten Argumente.
Lüften gegen Corona: Schulkinder sollen sich warm anziehen. Polemische Anmerkungen zu den fehlenden Konzepten der KMK aus Sicht des Philologenverbands.
Richtig lüften mit dem Umweltbundesamt. Vier Seiten Handreichungen, wie man’s richtig macht – und die Reaktionen auf diese Empfehlungen.
Gut zu wissen
Hier in der Redaktion liefen in den vergangenen zwei Wochen jede Menge Meldungen aus Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten zu Schulthemen ein. Hier ist unser kleiner Überblick für Sie:
Nicht rumjammern, weiterarbeiten! Ist die Arbeit eines Grundschulleiters in 40 Wochenstunden zu erledigen? Nein, sagt ein Rektor in Niedersachsen und klagte. Die Richter ließen ihn abblitzen - und alle waren sich einig: Wir sehen uns in der nächsten Instanz wieder. (Prophylaktische Anmerkung für besonders aufmerksame Leserinnen und Leser: Ja, wir wissen, dass die Richter des Verwaltungsgerichts genau genommen nicht zur Gruppe derer gehören, die sich vor dem Oberverwaltungsgericht wiedersehen werden.)
Ab in die Quarantäne! Ein Schüler, der eine Schulstunde lang zusammen mit einer infizierten Lehrerin im Raum war, muss in Quarantäne - obwohl die Pädagogin eine Maske trug und der Raum gelüftet wurde.
Sorry, kein Corona-Nachteilsausgleich! Eine Realschülerin aus Niedersachsen hatte wegen des Lockdowns auf bessere Abschlussnoten geklagt. Doch laut Gericht waren die Prüfungsbedingungen ausreichend - und die Jugendlichen zur Selbstdisziplin verpflichtet.
Rechtsanwältin Sibylle Schwarz hat für uns vor ein paar Tagen im Interview die aktuellen Urteile rund ums Maskentragen in der Schule sortiert. Dabei, sagt sie, lasse sich bundesweit schon eine klare Linie der Gerichte erkennen: "Das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit wird durch eine Maskenpflicht in der Schule nicht eingeschränkt." Das ganze Interview finden Sie hier. Dazu passt noch die Meldung eines grandiosen Hamburger Fehlkaufs: 30.000 Corona-Visiere aus Kunststoff gelten nicht als Maske und sind deshalb nutzlos - blöd nur, dass der Stadtstaat die Schutzvisiere zuvor für den Einsatz in Schulen angeschafft hatte.
Das war’s für heute. Das Team der "Kleinen Pause" dankt für Ihre Aufmerksamkeit - und für Ihre Zuschriften. Die erreichen uns unter kleinepause@newsletter.spiegel.de. Machen Sie es gut - und viel Erfolg beim Lüften!