30.06.2020 Ferien! Und dann?

In den ersten Bundesländern ist das Corona-Halbjahr vorbei, die Sommerferien haben begonnen. Was lässt sich lernen aus den vergangenen Monaten – vor allem für das kommende Schuljahr?

Liebe Leserinnen, liebe Leser, guten Morgen,

Pausen im Alltagsrhythmus sind ja normalerweise eine gute Gelegenheit, Bilanz zu ziehen. Das Problem in den Schulen: Von einem echten Alltag sind wir seit Mitte März meilenweit entfernt – weshalb der bewertende Rückblick zwar dringend notwendig, aber eben auch schwierig ist. Und je nachdem, wen man fragt, kommen auch noch ganz unterschiedliche Einschätzungen dabei heraus („Debatte der Woche“).

Das hat aber nicht nur mit individuellen Einschätzungen zu tun, sondern auch mit nackten Zahlen. Denn da deutet sich eine Überraschung an: Trotz Corona scheinen die Abi-Durchschnittsnoten in einigen Bundesländern besser zu sein als in den Jahren zuvor - während andererseits in bestimmten Fächern die Noten in manchen Ländern abgesackt sind („Das ist los“).

Wenn Sie in den kommenden Wochen und Monaten lieber nach vorne blicken möchten, haben wir auch etwas für Sie: Weiter unten finden Sie wieder Hinweise für zahlreiche Workshops zum Thema Medienkompetenz und Fake News - wir freuen uns, wenn Sie dieses kostenfreie Angebot von SPIEGEL Ed nutzen!

Auch unser Newsletter geht – nach dieser Ausgabe – in die Sommerferien. Am 11. August sind wir dann wieder für Sie da. Die wichtigsten Neuigkeiten rund um Schulen und Bildung finden Sie natürlich trotzdem jederzeit auf www.spiegel.de. Bleiben Sie bis dahin gesund und genießen den Sommer!

Das Team von „Kleine Pause“ wünscht alles Gute
 
Susmita Arp, Silke Fokken, Armin Himmelrath

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„Kleine Pause“ – der Bildungs-News­letter vom SPIEGEL
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Das ist los

1. Die Leistungen der „Class of Corona”

Die Befürchtungen waren ja groß, dass sich das Corona-Chaos der vergangenen Monate negativ auf die Abschlussnoten der Schülerinnen und Schüler auswirken würde. Doch trotz wochenlanger politischer Debatten um die Sinnhaftigkeit „normaler“ Abiturprüfungen in diesem Jahr, trotz breiter Proteste von Schülerinnen und Schülern melden die ersten Bundesländer, dass der Abitur­durch­schnitt in diesem besonderen Schuljahr besser ist als in den Jahren zuvor.

So berichtet der „Tagesspiegel” vom „Besten Abi-Schnitt seit Jahren in Berlin”, und auch Hamburg meldet, das Abi sei in diesem Jahr „etwas besser ausgefallen als in den letzten Jahren”. Mecklenburg-Vorpommern hat laut NDR ebenfalls schon Bilanz gezogen: Da liegt der aktuelle Durchschnitt sowohl beim Mittleren Schulabschluss als auch beim Abi ziemlich genau auf dem Wert des vergangenen Jahres.

Alles kein Problem also? Nicht ganz: Aus Berlin kommt auch die Nachricht, dass die Noten im Mathe-Abitur eben doch abgesackt sind - möglicherweise allerdings nicht wegen Corona, sondern weil schlicht die Zeit zur Bearbeitung fehlte. Und auch in Sachsen waren die Mathe-Noten auffällig schlecht, sie lagen im Schnitt nur bei 3,1. Was macht man da als Bundesland? Na was wohl: regionale Bildungspolitik – und hebt den Schnitt einfach an.

2. Wie normal ist der Normalbetrieb?

Wenn wir derzeit mit Lehrerinnen und Lehrern sprechen, dann sind sie häufig verzweifelt, genervt, wütend oder resigniert (und manchmal auch alles zusammen) – weil die Länder zumeist immer noch kein klares Konzept für Schule und Unterricht in Corona-Zeiten und für das kommende Schuljahr haben. Klar ist nur: Die Regierungschefs der Länder und die Bildungsministerinnen und -minister benutzen derzeit auffällig oft die Worte „Normalbetrieb” und „Regelbetrieb” - dabei sind das ziemlich leere Versprechungen.

Und die Nicht-Normalität reicht weit über das Klassenzimmer hinaus: Schon bei den zukünftigen Erstklässlern hakt und ruckelt es gewaltig, wie meine Kollegin Swantje Unterberg bei ihren Recherchen zur eigentlich obligatorischen Ein­schulungs­unter­suchung heraus­fand – die findet derzeit nämlich häufig gar nicht statt.

Wer noch ausfällt: etwa jede zehnte Lehrkraft, weil sie zu einer Risikogruppe gehört. Das ist allerdings angesichts der Umstände eine eher gute Nachricht. Denn auf 20 bis 30 Prozent der Kollegien war zuvor die Zahl derjenigen geschätzt worden, die aktuell und in naher Zukunft keinen Präsenzunterricht halten können. Diese Befürchtungen haben sich nicht erfüllt.

3. Was sonst noch war

Die Bertelsmann-Stiftung hat in einer Studie eine Bilanz der Inklusion an den Schulen in den vergangenen zehn Jahren gezogen. Dabei zeigt sich, dass der Anteil der Kinder mit Förderbedarf, der an allgemeinen Schulen unterrichtet wird, im vergangenen Jahrzehnt deutlich gestiegen ist. Doch die Zahlen sind nur auf den ersten Blick positiv.

Eindeutig eine gute Nachricht ist dagegen diese Geschichte, die die Kollegen der „Süddeutschen Zeitung” aufgegriffen haben: Erstmals seit der NS-Zeit haben wieder Jugendliche einer jüdischen Schule in Hamburg ihr Abitur abgelegt.

Debatte der Woche

Übers vergangene Wochenende hatte unsere Leserinnen- und Leserbriefredaktion viel zu tun. Anlass war unser Interview mit dem Bielefelder Erziehungswissenschaftler Ullrich Bauer, der unter anderem sagte: „Es gibt Schulen, an denen weniger als fünf Prozent der Lehrkräfte digitale Unterrichtsangebote machen.” Und er kritisierte das mangelnde Engagement mancher Lehrkraft in den vergangenen Wochen und Monaten. Dafür gab es einerseits Zustimmung, andererseits aber auch deutlichen Gegenwind, vor allem von Lehrkräften selbst. 

So schrieb uns Katja Ramírez: 

"Ich finde es ungeheuer ignorant und diffamierend, in welcher Art und Weise hier Herr Bauer ein vernichtendes Pauschalurteil über eine ganze Berufsgruppe äußert. Eine Berufsgruppe, die in der Tat durch die Pandemie, wie viele andere auch, keine Einkommensbußen hinzunehmen hatte, aber wiederum wie viele andere ihr Bestes gegeben hat, um den Nachwuchs in Deutschland weiterhin auszubilden. Dabei sind viele aufgrund der von der Politik verschuldeten mangelhaften digitalen Ausbildung der Lehrkräfte und Ausstattung der Schulen über sich hinausgewachsen und haben ihr Konzept autodidaktisch von heute auf morgen auf digitales Lernen und Lehren umgestellt. Nach der schrittweisen Wiederöffnung der Schulen ist es auch diese Berufsgruppe, die unter einem hohen Infektionsrisiko die Schüler dieses Landes aktuell in Präsenz und weiterhin digital beschult. Ein solche Verurteilung ist eine Ohrfeige für alle Lehrer, die von Anfang an und weiterhin engagiert in der Krisenzeit arbeiten." 

Und Leonie Scholz, ebenfalls Lehrerin, schrieb: 

"Ich kann mit großer Überzeugung sagen, dass die meisten KollegInnen, von denen übrigens auch ein Großteil selbst Familie hat und demnach zuhause ebenfalls die Betreuung gewährleisten musste, sich in den letzten Monaten die Hände wundgearbeitet und versucht haben, alle Kinder mitzunehmen und zu unterstützen (und das meist analog)… Sicherlich gibt es auch Lehrkräfte, die sich in den letzten Monaten zurückgelehnt und abgewartet haben. Diese entspannte Spezies gibt es in jedem Beruf. Allerdings alle derart über einen Kamm zu scheren und diese Stereotypisierung dann auch noch für einen Artikel zu wählen, in dem es um so viel mehr geht als nur um den Einsatz der Lehrkräfte, empfinde ich als eine große Unverschämtheit.” 

Die teils deutliche Kritik unserer Leserinnen und Leser an den Positionen von Ullrich Bauer, aber auch Zustimmung zu seinen Thesen haben wir in einem neuen Text zusammengefasst

Ideen, Anregungen, Feedback? Wir freuen uns über Post an kleinepause@newsletter.spiegel.de

Wir lesen uns dann am 11. August wieder hier – bis dahin wünschen wir Ihnen einen guten Sommer! 

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