Klar ist allerdings schon heute: Die Zeit bis zu den Sommerferien wird nicht reichen. Sie reicht nicht, um wieder in den vertrauten Kontakt mit Schülerinnen und Schülern zu kommen, weil die ja nur in kleinen Gruppen und an einzelnen Tagen in der Schule sind ("Das ist los").
Die Zeit wird aber auch kaum ausreichen, um in den Kollegien untereinander umfassend ins Gespräch zu kommen darüber, was man selbst in der Coronakrise erlebt hat und wie man mit der veränderten Stimmung im Land umgeht, die sich ja auch in den Klassenzimmern widerspiegelt. Was tun, wenn eine Schülerin oder ein Schüler mit verschwörungstheoretischen Scheinargumenten ankommt? Ruhig bleiben - und sich auf Kompetenzen besinnen, die auch vor Corona schon zum Repertoire von Lehrkräften gehörten, sagt Lehrerin und Medienexpertin Julia Egbers im Interview ("Gut zu wissen").
In diesen Wochen und Monaten kommt es vielleicht noch mehr als sonst auf Informationen an. Am Ende dieses Newsletters haben wir Ihnen deshalb ein paar Informationen zusammengestellt zu der Frage, warum es die SPIEGEL-Corona-News auch auf Türkisch gibt.
Bei Fragen und Anregungen erreichen Sie uns unter kleinepause@newsletter.spiegel.de. Kommen Sie gut durch diese seltsame Zeit – und bleiben Sie vor allen Dingen gesund!
Das Team von "Kleine Pause" wünscht alles Gute
Susmita Arp, Silke Fokken, Armin Himmelrath, Miriam Olbrisch
Das ist los
1. Chaos vs. Vielfalt
Von Einheitlichkeit und einem gemeinsamen Fahrplan sind die Bundesländer bei der Öffnung der Schulen meilenweit entfernt. Kein Wunder also, dass die einzelnen Schulen und Lehrkräfte völlig unterschiedlich mit der aktuellen Situation umgehen. Negativ gesehen könnte man die Situation als pures Chaos bezeichnen - positiv vielleicht aber auch als erfrischende Vielfalt.
Ein kleiner Rundflug durch die Befindlichkeiten? Die Kollegen der "Süddeutschen Zeitung" berichten von Grundschuleltern, die vor allem enttäuscht sind von dem, was sie in den vergangenen Wochen als Unterricht auf Distanz erlebt haben. Enttäuscht sind aber auch Lehrkräfte und Schulleitungen: Sie fühlten sich massiv im Stich gelassen, heißt es beispielsweise im "Bonner Generalanzeiger".
Da kann schon der Eindruck entstehen, dass die Schulen letztlich auf sich allein gestellt sind. Aber vielleicht entstehen gerade dadurch Lösungen, die Diskussionen anregen können: etwa in Neustrelitz, wo ein Gymnasium seine Schülerinnen und Schüler vor dem Unterricht zum Corona-Test bittet, und zwar zweimal wöchentlich – auf freiwilliger Basis. Oder aber der Schulleiter in Lüdenscheid, der für sein Gymnasium eine Maskenpflicht auch in den Klassenräumen verhängt hat.
Chaos? Oder Vielfalt? Wie sehen Sie das? Wir freuen uns über Ihre Zuschriften unter kleinepause@newsletter.spiegel.de
2. Die Sache mit den Endgeräten
Das klang zunächst ganz gut, was die Bundesregierung und die Länder sich da vorgenommen hatten: Jedes Schulkind in Deutschland soll bald, ganz bald schon über ein digitales Endgerät verfügen, mit dem es sich am Unterricht auf Distanz auf zumutbare Weise beteiligen kann – also nicht auf dem Minibildschirm des Handys und auf Kosten der privaten Datenflatrate.
Denn es sind vor allem die Kinder aus ärmeren Familien, die privat oft kein geeignetes Tablet oder einen Computer zur Verfügung haben. Allen bedürftigen Schülerinnen und Schülern wollte die Bundesregierung mit 150 Euro pro Person zu einem digitalen Endgerät verhelfen – was natürlich für viel Kritik und Spott sorgte. Klar, denn brauchbare Tablets sind für diesen Preis eher selten auf dem Markt zu finden.
Insofern war die Kehrtwende am vergangenen Freitag nicht allzu überraschend: Nun soll es doch keinen direkten Zuschuss für die betroffenen Familien geben, sondern Leihgeräte, die über die Schulen verteilt werden. Einzelne Bundesländer wie Hamburg oder Rheinland-Pfalz verfolgen diese Strategie bereits, der Weg soll jetzt bundesweit eingeschlagen werden.
"Aber wer bekommt denn nun überhaupt Geräte, und nach welchen Regeln? Und zu welchem Zeitpunkt spätestens können bedürftige Schüler erwarten, auf jeden Fall ein Gerät in der Hand zu halten?", fragt Bildungsjournalist Jan-Martin Wiarda in seinem Blog skeptisch und schreibt weiter: "Genau das sind die Angaben, die die Kinder und Jugendlichen, ihre Eltern und Lehrkräfte erwarten, auf die sie dringend gehofft haben. Doch die – typisch föderale – Antwort heute lautete: Das regeln die Länder." Man braucht nur wenig Fantasie, um sich auszumalen: Einheitlichkeit zwischen den Bundesländern wird es wohl auch in diesem Punkt nicht geben.
3. Rechtsfragen
Fast täglich erreichen uns mittlerweile Meldungen von Gerichtsentscheiden, in denen es um Schulen und Corona-Maßnahmen geht. Hier bekommen Sie einen schnellen Überblick über aktuelle Fälle:
Müssen in Sachsen alle Schülerinnen und Schüler wieder in die Schulen, auch wenn das Bundesland ein ganz anderes Öffnungskonzept fährt als alle anderen 15 Länder? Nein, sagt das Verwaltungsgericht Leipzig: Die Schulbesuchspflicht ist erst mal aufgehoben – nicht allerdings die Schulpflicht.
Können Beamte wegen der Hygienebedingungen an Schulen den Unterricht verweigern? Nein, entschied der hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel. Die aktuellen Maßnahmen seien ausreichend.
Darf ein Vater seine Kinder zu Hause behalten, weil er Angst um deren Gesundheit hat? Und können Kinder ein Recht auf Unterrichtsbesuch gerichtlich durchsetzen, auch wenn erst einmal andere Jahrgangsstufen zurück in die Schule geholt werden? Zweimal nein, sagt das Verwaltungsgericht Berlin.
Auch wenn Verwaltungsgerichtsbarkeit bisher nicht unbedingt Ihr Hobby war: Im Moment ist es durchaus spannend zu sehen, was da in Sachen Schulrecht alles verhandelt und entschieden wird. Die wichtigsten Urteile und Entscheidungen fassen wir für Sie natürlich jederzeit auf www.spiegel.de zusammen.
Gut zu wissen
Julia Egbers, 35, arbeitet als Lehrerin für Latein, Geschichte und Philosophie an einer Gesamtschule in Niedersachsen. Ab August ist sie außerdem medienpädagogische Beraterin für den Landkreis Cuxhaven.
SPIEGEL: Immer mehr Lehrerinnen und Lehrer berichten, dass Jugendliche teils krude Thesen und klare Falschbehauptungen zu Corona vertreten. Was können Lehrkräfte in einem solchen Fall tun?
Egbers: Ich erlebe das selbst auch. Aber das Thema war auch vor zwei oder drei Jahren schon aktuell, damals etwa in Zusammenhang mit Flüchtlingen. Heute sind verschwörungstheoretische Fake News noch viel öfter zu hören. Reagieren können Lehrerinnen und Lehrer darauf mit Strategien, die auch vorher schon bekannt waren: Quellenrecherche und Quellenbewertung. Woher stammt eine Nachricht? Wie plausibel ist sie? Gibt es eine zweite Quelle dafür? Welche Absicht könnte der Verfasser verfolgen?
SPIEGEL: Das ist alles nicht neu, das haben Lehrerinnen und Lehrer im Geschichts- oder Deutschunterricht auch bisher schon geübt.
Egbers: Genau. Bei vielen Lehrkräften gibt es diese Kompetenzen bereits, sie haben also ein Instrumentarium zur Hand, mit dem sie auf Fake News reagieren können. In anderen Fächern spielte diese Art von Medienkompetenz bisher keine Rolle - da müssen die Schulen, aber auch die Unis bei der Lehrerausbildung nachbessern. Der Umgang mit Gerüchten und Falschnachrichten darf nicht an einzelne Fächer und die dort aktiven Lehrer delegiert werden, sondern muss zum Thema für die ganze Schulgemeinschaft werden. Erst recht, wenn wir – wie derzeit fast überall – die Schülerinnen und Schüler nur ganz selten sehen.
SPIEGEL: Wo kann ich als Lehrerin oder Lehrer erste Informationen bekommen?
Egbers: Man kann sich im Kollegenkreis erkundigen, wer schon Erfahrungen mit dem Thema gemacht hat. Außerdem gibt es Unterrichtsmaterial und Hintergrundinformationen etwa bei SPIEGEL Ed oder beim Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung.
Corona-News in der Herkunftssprache?
Beim SPIEGEL gibt es jetzt jeden Freitag ein Video-Update zur Pandemie auf Türkisch. Zur ersten Ausgabe geht es hier.
Außerdem erklären die beiden Journalistinnen Ferda Ataman und Nalan Sipar hier im Interview, warum das Angebot sinnvoll ist.
Ideen, Anregungen, Feedback? Wir freuen uns über Post an kleinepause@newsletter.spiegel.de.