Sturm ist nicht der Grund, Corona oder Omikron ausnahmsweise auch nicht. In Berlin haben heute alle schulfrei, denn am 8. März ist Internationaler Frauentag, und der ist in der Hauptstadt ein Feiertag.
Alljährlich wird an diesem Tag für Gleichberechtigung und gegen Sexismus gestritten. An Kitas und Schulen gibt es dafür mehr Bedarf, als manche und mancher denkt, sagt die Feministin und »Pinkstinks«-Gründerin Stevie Schmiedel, die die Plattform »Schulen gegen Sexismus« mitinstalliert hat (»Gut zu wissen«).
Einige Schülerinnen und Schüler in Berlin sitzen erst seit wenigen Tagen überhaupt wieder im Klassenraum. Der Senat hatte die Präsenzpflicht wegen hoher Coronazahlen bis Ende Februar aufgehoben. Wird jetzt (nicht nur in Berlin) wieder alles normal? Fallen auch Tests und Maskenpflicht weg? Darüber wird gestritten (»Debatte der Woche«).
Über diese und viele andere Themen wirft der Ukrainekrieg seine bedrohlichen Schatten. Auf Deutschlands Schulen kommen angesichts der russischen Invasion neue Herausforderungen zu. Dazu gehört, dass viele Kinder und Jugendliche sorgenvoll im Klassenraum sitzen. Eine Expertin rät, wie Lehrkräfte das Thema »Krieg« aufgreifen können (»Das ist los«).
Bei all dem Leid und den bedrückenden Nachrichten bleibt mir nur, Ihnen viel Kraft für die kommenden Wochen zu wünschen.
Das Team von »Kleine Pause«
Das ist los
1. Wie man Kindern den Krieg erklären kann
Kanzler Olaf Scholz sprach von einer »Zeitenwende«. Der Krieg in Europa, die Nachrichten von Gewalt und all dem Leid der Menschen in der Ukraine wirken auch auf viele Kinder und Jugendliche verstörend. Wie man das Thema in der Schule besprechen kann, hat eine Lehrerin meiner Kollegin Kathrin Fromm erklärt. Der Tenor: »Lehrkräfte sollten nicht werten, sondern moderieren«. Das Interview lesen Sie hier.
Wie es zum russischen Feldzug kam und weitere Fragen rund um Putin und die Ukraine hat mein Kollege Marco Wedig vom Kindermagazin DeinSPIEGEL erklärt. Zu den Antworten bitte hier entlang .
Das Kinderhilfswerk Unicef stellt neun geflüchtete ukrainische Kinder vor. Die knappen Porträts verdeutlichen eindrucksvoll, welchen Einschnitt der Krieg für ihr Leben bedeutet .
2. Welche Rolle die Bundeswehr spielen soll
Lehrkräfte sollten bei der Thematisierung des Krieges auf Unterstützung der Jugendoffiziere der Bundeswehr zurückgreifen, hat Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger vorgeschlagen. »Als sicherheitspolitische Experten sind sie eine Bereicherung für den Unterricht, besonders jetzt«, sagte die FDP-Politikerin der »Bild«. Der Auftritt der Offiziere im Klassenraum war allerdings lange Zeit durchaus umstritten.
Die Bundeswehr ist wieder in den Fokus gerückt, der Kanzler hat ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro angekündigt. Das sieht der Bildungsjournalist Jan-Martin Wiarda mit Sorge – er fürchtet um den Bildungsetat, wie er im »Tagesspiegel« schreibt .
3. Was die Massenflucht aus der Ukraine für Schulen bedeutet
Mehr als 1,5 Millionen Menschen sind bisher aus der Ukraine geflohen, darunter zahlreiche Frauen und Kinder. Damit werden in Kürze (erneut) zahlreiche Mädchen und Jungen mit dramatischen Kriegs- und Fluchterfahrungen in den Klassenzimmern sitzen. Einige Bundesländer bereiten sich darauf bereits vor. Berlin etwa plant, wieder Willkommensklassen einzurichten und will geflüchtete ukrainische Pädagogen einbinden, berichtet der »Tagesspiegel« .
Und sonst noch?
Der Ärger über den Digitalpakt, im Zuge der Coronakrise zwecks Distanzunterrichts noch mal kräftig aufgestockt, reißt nicht ab. Nach zweieinhalb Jahren sind nicht einmal zehn Prozent der Fördergelder an den Schulen angekommen. Woran das liegt, beschreibt meine Kollegin Miriam Olbrisch. Zum Text bitte hier entlang.
Gut zu wissen
Wenige Jahre bevor der Erste Weltkrieg begann, 1911, wurde der erste Internationale Frauentag begangen. Vieles wurde seither erreicht. Trotzdem sind wir von echter Geschlechtergerechtigkeit weit entfernt, auch in Deutschland, auch an Schulen. Die Feministin Stevie Schmiedel, Gründerin der Organisation Pinkstinks, will das unter anderem mit dem Portal »Schule gegen Sexismus« ändern.
Kleine Pause: Frau Schmiedel, wie funktioniert dieses Portal?
Stevie Schmiedel: Wir verstehen uns als Online-Volkshochschule für alle Menschen, die Fragen zu Sexismus und zu Geschlechtergerechtigkeit haben. Hier kann jede und jeder anonym eine Frage stellen, die dann Geschlechterforscher:innen und Journalist:innen beantworten. Einzelne Fragen greifen wir auf und stellen die Antwort, etwa im Video, für alle ins Netz.
Kleine Pause: Klingt ein bisschen wie das Dr.-Sommer-Prinzip aus der »Bravo«.
Schmiedel: Es ist jedenfalls ebenfalls ein niedrigschwelliges Angebot.
Kleine Pause: Um welche Fragen geht es?
Schmiedel: Neulich hat sich zum Beispiel eine Schülerin über ein klassisches Theaterstück geärgert, das ihre Klasse aufführen sollte, obwohl es aus ihrer Sicht etliche sexistische Sprüche und Darstellungen enthielt. Einem Drachen sollten etwa regelmäßig Jungfrauen zum Fraß vorgeworfen werden. Wir haben das unter anderem zum Anlass genommen zu erklären, ob es überhaupt ein Jungfernhäutchen gibt.
Kleine Pause: Und sonst?
Schmiedel: Uns erreichen auch wütende Fragen. Männer wollen wissen, warum wir nicht gegen Sexismus gegen Jungen vorgehen. Wir erklären dann, dass wir genau dies tun. Menschen unterliegen oft dem Missverständnis, Feminismus bedeute, Frauen wollten die Weltherrschaft übernehmen. Wir erklären hingegen, dass das Patriarchat viele Menschen in psychische Nöte stürzt, Mädchen wie Jungen.
Kleine Pause: Was meinen Sie damit?
Schmiedel: Menschen neigen immer noch dazu, die Welt in Blau und Rosa einzuteilen. Auf Instagram beispielsweise wird oft ein fragwürdiges Mädchen- und Frauenbild vermittelt: Mädchen sollen schön, gut und lieb sein. An Schulen werden an Mädchen oft noch genau solche Erwartungen gestellt. Jungen hingegen sollen nicht weich oder still sein.
Kleine Pause: Haben sich diese Vorstellungen nicht überholt?
Schmiedel: Viele Erwachsene, darunter Lehrerinnen und Lehrer, glauben, sie hätten entsprechende Geschlechterstereotype längst überwunden, dabei sind sie in ihrem Denken und Verhalten noch stark davon geprägt.
Kleine Pause: Woran machen Sie das fest?
Schmiedel: An stark geschlechtsspezifischem Spielzeug, das für Kitas gekauft wird. An Sätzen, bei denen sich Lehrkräfte in der Regel nichts Böses denken: »Ich brauche mal ein paar starke Jungs, die beim Tische tragen helfen.« Oder: »Für ein Mädchen bist du wirklich gut in Mathe.« Eine OECD-Studie hat vor einigen Jahren gezeigt, dass Mädchen schon in der ersten Klasse glauben, sie seien schlechter in Mathematik als Jungen. Schulen müssten solchen Stereotypen dringend entgegenwirken, statt sie zu befördern.
Kleine Pause: Und da setzt Ihr Portal an?
Schmiedel: Genau, wir gehen an Schulen mit Theaterstücken, die dazu anregen, über Geschlechterstereotype, Sexismus oder auch toxische Beziehungen zu reflektieren. Kinder und Jugendliche merken, dass nicht sie selbst mit ihren Gefühlen oder ihrem Verhalten falschliegen, sondern das System.
Kleine Pause: Wie unterstützen Sie Lehrkräfte?
Schmiedel: Vor allem mit Material. Wir haben ein Arbeitsheft für die Klassen 7 bis 9 erstellt, das Schulen bei uns beziehen können, und es gibt Klassenposter, die entsprechende Themen aufgreifen. Bisher konnten wir rund 10.000 Schülerinnen und Schüler erreichen. Das dürfen gern noch mehr werden.
Debatte der Woche
Mancherorts werden die Coronamaßnahmen an Schulen in diesen Tagen zwar gelockert, aber – wen wundert’s – längst nicht überall gleichermaßen. In Brandenburg müssen sich Schülerinnen und Schüler statt täglich nur noch dreimal pro Woche testen, in Sachsen wird nur noch zweimal getestet. In Hessen und Sachsen fällt die Maskenpflicht im Unterricht weg, in Bayern bleibt sie, außer beim Sport.
Richtig oder nicht? Ich habe einen Teil des Meinungsspektrums hier mal für Sie aufgefächert:
Mein Kollege Jan Friedmann, SPIEGEL-Korrespondent in München, meint: Schülerinnen und Schüler dürfen nicht wieder die Letzten sein, die von Lockerungen profitieren. Seinen Kommentar lesen Sie hier .
Auch die schleswig-holsteinische Kultusministerin und KMK-Präsidentin Karin Prien grenzt sich vom Team Vorsicht ab. Wir müssten aus »dieser Kultur der Angst« herauskommen, hat sie mir im Interview erzählt .
Gleichzeitig gibt es weiter Familien, die sich besonders vor einer Coronainfektion fürchten. Wie diese »Schattenfamilien« die Lockerungsdebatte erleben, hören Sie in einem Podcast meines Kollegen Marius Mestermann.
Was Schulakteure und der Kultusminister in Bayern zum Festhalten an der Maskenpflicht sagen, berichtet die »SZ« .
Viele von Ihnen sind dem Aufruf meiner Kollegin Swantje Unterberg vor zwei Wochen gefolgt und haben uns geschrieben, wie sie die Situation empfinden. Aus den meist anonymen Zusendungen sprechen viel Erschöpfung, Frust und Ärger:
»Die Politik fängt nun an, die Coronamaßnahmen zu lockern. Nur bei Kindern ist sie wieder einmal verbohrt und belässt alles beim Status quo.«
»Ich bin nur noch wütend und enttäuscht. 'Vulnerable Gruppen' können jetzt wieder lustige Kaffeefahrten machen, aber meine Kinder können den Ausflug mit dem Kindergarten nicht machen, weil sich sonst die Gruppen 'mischen'.«
»Bin im 10. Monat schwanger und seit Sonntag positiv getestet (dreifach geimpft). Mein Sohn, 6, ebenfalls geimpft, hat es aus der Schule mit nach Hause gebracht. Also danke für nix.«
»Meine Söhne, früher gesund und sportlich, sind nach zwei Jahren Pandemie nun blasse Couchpotatoes.«
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