24.03.2020 Lehren und Lernen in Zeiten von Corona  

Liebe Leserinnen, liebe Leser, guten Morgen,  
das Bildungs-Team des SPIEGEL grüßt Sie aus dem Homeoffice. Wie viele Unternehmen haben auch wir den Betrieb nahezu komplett in die heimischen vier Wände verlegt und winken uns nun täglich über die Video-Schalte zu.

Auch Schülerinnen und Schüler lernen seit etwas mehr als einer Woche vorwiegend zu Hause. Wie gut das funktioniert, hängt maßgeblich davon ab, wie sich die Schulen in den vergangenen Jahren auf das digitale Lernen eingestellt haben ("Das ist los"). Wie es sich anfühlt, ohne Vorbereitung plötzlich digitalen Unterricht machen zu müssen, berichtet ein Lehrer aus Rheinland-Pfalz im Interview ("Debatte der Woche"). 

Und ja, es gibt auch noch Nachrichten außerhalb des Corona-Universums – allerdings klingen die nicht unbedingt besser: Deutschlands Schulleiterinnen und Schulleiter sind unzufrieden mit den Arbeitsbedingungen in ihrem Beruf ("Gut zu wissen"). Sie beklagen unter anderem die mangelnde digitale Ausstattung ihrer Schulen (Hello again) sowie den Lehrermangel.  

Darfs noch ein bisschen Service sein? In der Corona-Krise machen allerhand wilde Gerüchte die Runde. Woran Kinder und Jugendliche (und nicht nur die!) solche Fake-News erkennen können, erfahren Sie unter "Neues von SPIEGEL Ed". 

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Kommen Sie gut durch diese außergewöhnlichen Tage!  

Das Team von "Kleine Pause" wünscht alles Gute 
Susmita Arp, Silke Fokken, Armin Himmelrath, Miriam Olbrisch

Illustration zum Abonnieren des Bildungs-Newsletters "Kleine Pause"
„Kleine Pause“ – der Bildungs-News­letter vom SPIEGEL
News, Debatten und neue Erkennt­nisse aus der Wissen­schaft: Hier erfahren Sie, was Deutschlands Schulen bewegt. Bleiben sie bei Bildungs­themen immer auf dem Laufenden. Erfahren Sie früher von neuen Ange­boten auf SPIEGEL Ed.

Das ist los

1. Droht nach der Corona-Krise nun eine Bildungskrise? 

Während einige Lehrkräfte ihre Klassen nun per Livestream unterrichten, müssen Eltern anderswo Umschläge mit Arbeitsblättern am Schultor abholen. Die Corona-Krise offenbart in diesen Tagen schonungslos, ob und wie gut Deutschlands Schulen im digitalen Zeitalter angekommen sind (SP+).  

2. Was wird aus dem Abitur? 

Zahlreiche Bundesländer haben sich entschieden, die Abiturprüfungen 2020 erst einmal zu verschieben. Doch es gibt Ausnahmen: Hamburg will (bisher) am Zeitplan festhalten – und in Hessen sitzen die Abiturienten möglicherweise in diesem Augenblick über ihren Klausuren. In einer Videobotschaft versichert Kultusminister Alexander Lorz (CDU), das Risiko, sich beim Schreiben mit dem Virus zu infizieren, könne "weitgehend ausgeschlossen werden". Hoffen wir, dass er recht behält. Hinweise, die den SPIEGEL aus Schulen in Hessen erreichten, lassen allerdings anderes befürchten.  

3. Eltern als Heim-Lehrer – kann das gut gehen? 

Wenn die Schule ausfällt, lernen viele Kinder und Jugendliche zu Hause - während die Eltern gleichzeitig versuchen müssen, sich auf ihre Arbeit im Homeoffice zu konzentrieren. Wie das gelingen kann und warum Schulschließungen nicht automatisch "Corona-Ferien" bedeuten, erklärt Maresi Lassek, Vorsitzende des Grundschulverbands, im Interview

Gut zu wissen

Viele Schulleitungen in Deutschland sind unzufrieden, das ergab eine aktuelle Forsa-Umfrage des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) unter mehr als 1300 Schul-Chefs. Das Institut befragte die Pädagogen im Januar und Februar – also kurz bevor die Schulen wegen des Corona-Virus geschlossen wurden. Größte Sorge zu der Zeit: der Lehrermangel. Deutlich mehr als die Hälfte der Befragten gab an, sie hätten im vergangenen Jahr konkret mit Lehrkräftemangel und unbesetzten Stellen zu kämpfen gehabt. Vor zwei Jahren war es nur rund ein Drittel. Alle Ergebnisse finden Sie hier

Debatte der Woche

"Die Schüler brauchen Strukturen"
 

Ein 37-jähriger Gymnasiallehrer aus Rheinland-Pfalz über die erste Woche Unterricht nach den Schulschließungen – und über mangelnde Unterstützung aus Schulleitung und Politik, weshalb er dieses Interview nur anonym geben wollte. Die Identität ist der Redaktion bekannt. 

SPIEGEL: Fünf Tage digitalen Unterricht haben Sie jetzt hinter sich – wie lief es bisher?  

Lehrer: Das war eine hochspannende erste Woche. Die meiste Zeit haben wir damit verbracht, uns zu organisieren und ein passendes System zu finden, mit dem sich der Unterricht digital organisieren lässt. 

SPIEGEL: Hat Ihre Schule denn keine Cloud? 

Lehrer: Wir haben ein System, das sehr in die Jahre gekommen ist. Die Anmeldung für die Schülerinnen und Schüler ist umständlich, man kann maximal ein Megabyte an Daten hochladen – jedes Handyfoto ist größer. Die meisten Kollegen haben das System bisher gar nicht genutzt, sodass jetzt kaum noch jemand sein Passwort parat hat. Das mussten wir alles umstellen und erneuern und nutzen jetzt zusätzlich die Cloud eines privaten Anbieters. Das funktioniert ziemlich gut.  

SPIEGEL: Klingt nach einer Erfolgsgeschichte. 

Lehrer: Nur zum Teil. Dass wir dieses neue System aufsetzen mussten, hat auch damit zu tun, dass die Schulleitung in der Vergangenheit andere Themen als wichtiger eingestuft hat. Wir haben in dieser ersten Woche aber auch die Grenzen des digitalen Unterrichts kennengelernt: Nicht alle Eltern können ihren Kindern zu Hause helfen. Manche Kinder gehen in dieser neuen Form regelrecht verloren, weil ihnen der gewohnte Rhythmus des Schulalltags fehlt. 

SPIEGEL: Was heißt das konkret? 

Lehrer: Die Schülerinnen und Schüler brauchen Strukturen, einen klaren Tagesablauf. Das gibt ihnen Halt, und wenn der fehlt, wird das Lernen schwieriger. Außerdem haben manche zu Hause keinen eigenen Schreibtisch, sondern arbeiten jetzt am Küchentisch. Wenn dann noch ein paar Geschwister   herumtoben, wird es kompliziert. Ich unterrichte unter anderem Mathematik – und versuche, jeden einzelnen Schüler mitzunehmen. Aber machen wir uns nichts vor: Das ist schon im normalen Unterricht schwierig. Unter den aktuellen Bedingungen lässt sich dieser Anspruch eigentlich nicht mehr aufrechterhalten. 

SPIEGEL: Bekommen Sie Unterstützung vom Land? 

Lehrer: Nein, das Land hat bisher keinerlei Fortbildungen zum digitalen Unterrichten angeboten. Und auch viele jüngere Kolleginnen und Kollegen sind beim virtuellen Klassenzimmer eher zurückhaltend. Jetzt stehen wir aber alle unter Druck, digitale Stunden anbieten zu müssen, ohne dass wir uns damit auf breiter Front schon befasst haben. Da fällt uns jetzt bundesweit auf die Füße, was wir in den vergangenen Jahren versäumt haben. 

Interview: Armin Himmelrath 

Welche Erfahrungen haben Sie in der ersten Woche nach den Schulschließungen gemacht? Schreiben Sie uns an bildung@spiegel.de

Neues von SPIEGEL Ed 

Die "Gute Nachrichten!"-Workshops sind vorerst ausgesetzt. Wir konzentrieren uns deshalb aktuell auf die Entwicklung digitaler Lerninhalte. Auch und besonders in der Corona-Krise ist Nachrichtenkompetenz unverzichtbar. 

Zur Pandemie kursieren zahlreiche erfundene, unwahre oder verfälschte Nachrichten. Woran Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler entsprechende WhatsApp-Sprachnachrichten, YouTube-Videos oder Facebookposts erkennen, 
erklärt SPIEGEL-Redakteur Patrick Beuth. 

Im Coronavirus-Faktencheck gehen SPIEGEL-Journalistinnen und -Journalisten 
gezielt Gerüchten nach und veröffentlichen hier die Ergebnisse.

Ideen, Anregungen, Feedback? Wir freuen uns über Post an kleinepause@newsletter.spiegel.de.