Bitte das Flugticket buchen und die Sonnencreme nicht vergessen: Der Unterricht wird nach Mallorca verlegt. Theoretisch wäre dies mit den aktuellen Coronabeschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz vereinbar, ist natürlich trotzdem nur ein Witz. Millionen Kinder und Jugendliche bleiben zur Pandemieeindämmung im Wechselunterricht oder lernen weiter komplett von zu Hause aus – während sich der eine oder andere Erwachsene Inselurlaub gönnt.
Zugegeben, der Vergleich ist platt, und damit kein Missverständnis entsteht: Wir gönnen allen Menschen, die dem Lockdown entfliehen und in die Sonne wollen, ihren Urlaub (gerade im verregneten Hamburg könnte das Verständnis kaum größer sein), aber wir kommen bei der Logik der politischen Entscheidungen mit Blick auf Schulschließungen und -öffnungen nicht mehr so richtig hinterher. Die Debatte dreht sich auch nach der jüngsten Bund-Länder-Runde in einer Endlosschleife weiter. Relativ neu ist nur der Streit über die Schnelltests (»Das ist los«).
Je länger Millionen Schülerinnen und Schüler im Distanzunterricht lernen, desto mehr sind ihre digitalen Fähigkeiten gefragt. Eine Studie zeigt, wie es darum bei der deutschen Bevölkerung insgesamt bestellt ist und offenbart besorgniserregende Ergebnisse, die auch stark den Journalismus betreffen. Mehrere Medien haben sich (natürlich nicht nur wegen der Studie) zusammengetan, um an Schulen aufzuklären – und sich dem Gespräch mit Schülerinnen und Schülern zu stellen (»Debatte der Woche«).
Wir hoffen, dass Sie allen Widrigkeiten zum Trotz gut durch die Zeit kommen. Wenn Sie gute Vorschläge, absurde Erfahrungen oder regelrecht Ärger rund um die Debatte der Schulschließungen loswerden möchten, schreiben Sie uns. Oder diskutieren Sie mit, heute Abend auf Clubhouse: Um 21 Uhr reden wir in »Dienstag, letzte Stunde«, darüber, welche Kriterien bei der Frage von Schulschließungen ausschlaggebend sein sollten – und welche nicht.
Das Team von »Kleine Pause«
Silke Fokken, Kristin Haug und Armin Himmelrath
Das ist los
1. 16 Bundesländer – eine Entscheidung?
Bei einer Sieben-Tage-Inzidenz über 200 und für den Fall, dass nicht zwei Selbsttests pro Woche pro Kind vorliegen sollten, müssten Kitas und Schulen geschlossen bleiben. Kaum war dieser Vorschlag aus dem Kanzleramt vor der Bund-Länder-Runde am Montag bekannt, brandete Empörung auf: »Es ist unverantwortlich, dass die Kanzlerin dieses Schreckgespenst erneut in Aussicht stellt«, kritisierte FDP-Politikerin Katja Suding.
Der Präsident des deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, hingegen betonte, er habe keinerlei Verständnis für den Vorstoß, weiter am Präsenzunterricht festzuhalten, wenn die Inzidenzen über 100 kletterten. Das sei mit Blick auf die Infektionsgefahr nicht verantwortbar, sagte Meidinger der »Rheinischen Post« – und übte nicht zuletzt scharfe Kritik an der Kultusministerkonferenz (KMK), die sich dafür ausgesprochen hatte, die Schulen so lange wie möglich offen zu lassen. Der Schulbesuch sei für die weitere Bildungsbiografie von Kindern »von entscheidender Bedeutung«.
Begleitet vom Sound dieser inzwischen altbekannten Ping-Pong-Debatte »Bildung versus Infektionsschutz« gingen die Beratungen der Bund-Länder-Runde am Montag los. Das Ergebnis: kein Ergebnis – jedenfalls kein wirklich neues. Sondern, wieder mal, eine vage Absichtserklärung: An den Schulen werden »baldmöglichst zwei Testungen pro Woche angestrebt«. Na dann...
2. Das 17. Bundesland – ein Vorbild?
Die Debatte über Schulschließungen würde vermutlich erheblich an Lautstärke verlieren, wenn die Politik endlich flächendeckend überzeugende Konzepte zum Infektionsschutz an Schulen vorlegen könnte, etwa in Form regelmäßiger Selbsttests. Aber die Länder agieren hier alle in ihrem eigenen, individuellen Tempo. Wer sich einen Überblick verschaffen möchte, bitte hier entlang.
Vielleicht lohnt sogar ein Blick auf eine Insel, die gern anmaßend als 17. Bundesland bezeichnet wird (und die uns heute irgendwie nicht loslässt): Sophie Mono schreibt in der »Mallorcazeitung«, was die spanische Region bei ihren Schulen anders macht als Deutschland – etwa limitierte Gruppengrößen und CO₂-Messgeräte in den Einrichtungen. Mono findet, Mallorca könne ein Vorbild für uns sein.
Hierzulande befinden sich die Schulen seit mehr als einem Jahr im On-Off-Modus. Über die Folgen kann nur spekuliert werden. Diesen Missstand beklagen die ehemaligen Staatssekretäre im Bildungssenat Berlins und Hamburgs, Hans-Jürgen Kühn und Michael Voges, in einem lesenswerten Schreiben der Heinrich-Böll-Stiftung. Bis heute gebe es keine repräsentative Studie, »die die Auswirkungen der Schulschließungen auf die kognitive Kompetenzentwicklung belastbar beschreibt«. Was die beiden Autoren fordern, um den »Blindflug« zu beenden, lesen Sie hier.
3. Was sonst noch war?
Eins steht fest: Je länger das Homeschooling dauert, desto länger sind Mütter und Väter als »Ersatzlehrkräfte« gefragt. Der eine oder die andere stößt da langsam an Grenzen. Zum Beispiel der Kollege Arno Frank, Vater von zwei Töchtern. In einem sehr persönlichen, sehr launigen ebenso wie tiefsinnigen Text wirft er die Frage auf, ob und wie die Leistungen der Kinder im häuslichen Lernen derzeit überhaupt bewertet werden können – und sollten.
Arnos nicht ganz ernst gemeiner Vorschlag: Warum nicht gleich die Eltern benoten statt den »Umweg über die Kinder wählen«? Wie der Kollege darauf kommt, lesen Sie hier.
Gut zu wissen
Die Medienkompetenz müsse gestärkt werden, hieß es unisono von Schülern, Eltern sowie Lehrkräften in der Coronakrise immer wieder, insbesondere mit Blick auf die Herausforderungen des digitalen Unterrichts auf Distanz. Nicht nur gefühlt liegt hier offenbar einiges im Argen. Eine aktuelle Studie belegt, dass Angela Merkels viel zitiertem Satz »Das Internet ist für uns alle Neuland« mehr Wahrheit steckt, als der Gesellschaft lieb sein kann.
Mehr als 4000 Menschen ab 18 Jahren hat die Stiftung »Neue Verantwortung« zu digitalen Fähigkeiten und Faktenwissen befragt. Die Ergebnisse, die die Kollegin Sabrina Knoll zusammengestellt hat, finden Sie hier. Demnach können viele Menschen nur schwer Werbung, Meinung und journalistische Berichte unterscheiden. Jeder vierte Befragte glaubt, dass Medien und Politik Hand in Hand arbeiten, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren.
Debatte der Woche
Diese Studie zur Medienkompetenz ist nicht die erste, die uns als Journalistinnen und Journalisten alarmiert und aufzeigt, dass wir etwas für unsere Glaubwürdigkeit tun und Menschen mehr über unsere Arbeit informieren müssen. Am 3. Mai, dem Internationalen Tag der Pressefreiheit, ist eine bundesweite Aktion mehrerer Medienhäuser geplant.
Initiiert von der Initiative »Journalismus macht Schule« diskutieren Journalistinnen und Journalisten mit Schülerinnen und Schülern darüber, was freie und unzensierte Berichterstattung bedeutet, informieren über Gefahren durch Fake News und beantworten Fragen zu ihrer Arbeit.
Mehrere Hundert Journalistinnen und Journalisten von Zeitungen und Zeitschriften, aus Radio, Fernsehen und Onlinemedien machen mit. Darunter sind viele bekannte Medienleute wie Caren Miosga, Ingo Zamperoni (»ARD-Tagesthemen«), Marietta Slomka, Claus Kleber (»Heute Journal«), Giovanni di Lorenzo (»ZEIT« und »3nach9«) und SPIEGEL-Chefredakteur Steffen Klusmann.
Wir selbst aus dem »Kleine Pause«-Team sind auch dabei und freuen uns schon auf interessante, kontroverse Diskussionen. Ab sofort können sich Lehrer und Lehrerinnen aller Schulformen für die Werkstattgespräche anmelden. Sie sind für Schülerinnen und Schüler ab Klasse 9 gedacht. Daneben gibt es natürlich weiter unsere SPIEGEL Ed-Workshops mit der Schwarzkopf-Stiftung. Das sind rund 90-minütige Onlineformate. Zu weiteren Informationen und zur Anmeldung geht es hier.