Hatten Sie schon Zeit, sich den OECD-Bericht »Bildung auf einen Blick« aus der vergangenen Woche ein bisschen genauer anzuschauen? Etwas Zeit sollte man dafür einplanen, es geht um weit über 500 Seiten mit jeder Menge Zahlen. Und mit Interpretationsbedarf: Sind die 10.300 Euro, die wir in Deutschland im Schnitt jährlich für jede (Vollzeit-)Schülerin und jeden Schüler ausgeben, viel oder wenig?
Viel, wenn man die Summe mit anderen Staaten vergleicht: Die 10.300 Euro liegen rund 2000 Euro über dem OECD-Durchschnitt – das klingt doch ganz ordentlich. Aber die Freude relativiert sich, wenn man das Bruttoinlandsprodukt als Maßstab heranzieht: Da liegen wir, was den prozentualen Ausgabenanteil für Bildung angeht, deutlich unter dem OECD-Mittelwert. Und noch ein paar Zahlen sind interessant – die 691 zum Beispiel (»Gut zu wissen«).
Dass uns Corona in den Schulen noch eine ganze Weile beschäftigen wird, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Da ist zum einen die noch nicht ausgestandene Epidemie und die Frage, wie groß die vierte Welle noch wird und ob es eine fünfte oder gar sechste geben wird. Und da sind zum anderen die mittel- und langfristigen Folgen – für die Schülerinnen und Schüler, für die Schulen und die Lehrkräfte und für die gesellschaftliche Bildungsdebatte insgesamt (»Das ist los«).
Susmita Arp, Silke Fokken, Kristin Haug, Armin Himmelrath
Das ist los
1. Corona und kein Ende
Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren vor allem damit hervorgetan, dass sie Beschlüsse fasste, die das Ende der Coronapandemie feststellten – und damit auch ein Ende der schulischen Einschränkungen. Dumm nur, dass sich das Virus bisher nicht an diese Vorgaben der KMK hielt. Und während die vierte Welle die Schulen erreicht und schon wieder Zehntausende Kinder zu Hause bleiben müssen, fragen sich viele: Wo bleibt denn nun die bildungspolitische Strategie für den Pandemieherbst? Den Text über die Mär vom Präsenzunterricht finden Sie hier.
Immerhin: Was lange fehlte, wird nun doch noch geliefert. In Hamburg wurden erste Zahlen zu den pandemiebedingten Lernrückständen erhoben und veröffentlicht. Dabei zeigten sich große Lücken bei Schülerinnen und Schülern nach dem Corona-Shutdown: Die Untersuchung bei Drittklässlern weist auf wesentliche Rückstände hin. Besonders betroffen sind Kinder an Brennpunktschulen.
Und auch das hier gehört – leider – zum Themenkomplex Corona: In Sachsen gibt es vermehrt Einschüchterungsversuche gegen Schulleiterinnen und Schulleiter, die an ihren Schulen Impfangebote ermöglichen. Zum Teil richteten sich die Drohungen sogar an Privatadressen. Das Kultusministerium nennt die Vorfälle »absolut inakzeptabel«.
2. Die Sache mit der Bildungsgerechtigkeit
Dass insbesondere Kinder aus sozial schwierigem Umfeld nach Corona mit Lernlücken zu kämpfen haben, illustriert vor allem eins: Das Thema Bildungs(un)gerechtigkeit ist, leider, ein Dauerbrenner. Das zeigen auch zwei weitere Ereignisse der vergangenen Tage.
In Sachsen-Anhalt hat ein Schulamt zur Einschulung die Kinder nach ihrer Muttersprache sortiert – und ruderte wenig später zurück. An einer Grundschule nahe Magdeburg waren sämtliche arabischsprachigen Erstklässler in einer Klasse zusammengefasst worden – die Eltern wussten davon nichts. Inzwischen gibt es eine Erklärung, die Debatte ist aber wohl noch nicht beendet.
Und auch das hier passt irgendwie zum Thema Bildungsgerechtigkeit: Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass eine sehr teure Privatschule ihren gemeinnützigen Status verliert. Monatliche Gebühren von über 1000 Euro einerseits und steuerliche Vorteile durch eine vom Finanzamt bescheinigte Gemeinnützigkeit andererseits schließen sich demnach aus.
3. Und sonst noch?
Da hatte jemand eine ziemlich interessante Idee gegen den Nachwuchsmangel im Ehrenamt: In der Uckermark können Schülerinnen und Schüler künftig das Wahlfach »Feuerwehr« belegen, wie der RBB berichtet.
Für deutlich weniger gut halten wir dagegen die Ideen, mit denen Ungarns Regierung derzeit die Schulen umbaut. Die Kolleginnen und Kollegen der »Zeit« analysieren auf lesenswerte Weise diese Operation der Regierung Orbán.
Gut zu wissen
Im OECD-Bildungsbericht »Education at a Glance« findet sich jede Menge statistisches Material – und eine interessante Zahl, die bei Ihnen vielleicht für Zündstoff sorgen könnte: 691.
Das ist die Zahl der Stunden, die Lehrkräfte an Grundschulen in Deutschland durchschnittlich im Jahr 2020 unterrichtet haben. Wo der Zündstoff stecken könnte? Nun, diese 691 Stunden sind dem Bildungsbericht zufolge 100 Stunden weniger als Grundschullehrerinnen und -lehrer im OECD-Durchschnitt.
Filmtipp
Dass wir Sie mit unserem Newsletter ins Kino schicken, das kommt nicht allzu oft vor. Diese Woche aber schon: Am Wochenende ist der Dokumentarfilm »Herr Bachmann und seine Klasse« angelaufen. Man könnte ihn als Mutmacher für den Beruf der Lehrerin und des Lehrers verstehen: Herrn Bachmann gelingt trotz schwieriger Rahmenbedingungen richtig gute Bildung. Den Trailer zum Film finden Sie hier.